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Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 11.04.2019, 17:44
von Benedikt_F
Hallo zusammen,

nachdem ich heute das Grundbuch im Vorfeld einer Zwangsversteigerung einsehen konnte, bleiben einige Fragen bezüglich Grundschulden und die eventuelle Übernahme „versteckter“ Belastungen. Über eine kurze Antwort, würde ich mich sehr freuen.


Info: Verkehrswertgutachten zum Immobilienwert (2017): 338.000€

Im Grundbuch sind folgende Lasten aufgeführt:

Grundbuchauszug / Eintragungen dritte Abteilung:

…-1995: 6.000 DM Grundschuld für Bank 1 (Altschulden?)

2012: 210.000€ Grundschuld (ohne Brief) für Bank 2

2018: 130.000€ Zwangsversicherungshypothek für Bank 3

Summe Grundschulden: Ca. 343.000€


Meine Fragen:

• Falls das Objekt z.B. für 320.000€ (also unterhalb der aufsummierten Grundschulden versteigert wird), werden sich dann die Gläubiger beim Verteilungstermin einigen oder muss ich das „fehlende“ Geld ausgleichen?

• In welchem Fall bleiben (Grund)schulden bestehen und wann werden diese auf mich übertragen?

• Muss das Amtsgericht grundsätzlich darauf hinweisen, wenn (Grund)schulden auf mich als Ersteiger übertragen werden? (z.B. schriftlich auf der Internetseite des Gerichts oder vor der Verhandlung mündlich. Im Gutachten nicht erwähnt).

• Wenn keine Schulden übertragen werden, wird dann das Grundbuch als komplett „frei“ an mich überreicht? Oder gibt es irgendwelche versteckten Schulden, die ich auf Anhieb nicht erahnen kann?


Besten Dank für eure Hilfe,

Benedikt

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 11.04.2019, 20:08
von Addi
• Falls das Objekt z.B. für 320.000€ (also unterhalb der aufsummierten Grundschulden versteigert wird), werden sich dann die Gläubiger beim Verteilungstermin einigen oder muss ich das „fehlende“ Geld ausgleichen?

Weder noch, die Verteilung ist Aufgabe des Vollstreckungsgerichts und zwar von dem Rechtspfleger/in der/die Versteigerung durchführt und das gesamte Versteigerungsverfahren bearbeitet. Verteilt wird nur das bare Meistgebot, für die fehlende Summe haftet der Schuldner in der Regel weiter. Das „Pfand“, nämlich die Immbilie ist ja bereits verwertet.


• In welchem Fall bleiben (Grund)schulden bestehen und wann werden diese auf mich übertragen?


Das richtet sich danach aus welcher Rangposition das Verfahren betrieben wird. Geregelt ist dies in §10 ZVG.
Wird aus rangbester Position im Grundbuch betrieben, bleiben keine Rechte bestehen, kein Recht muß von Ihnen übernommen werden. Bleiben Rechte bestehen, die sie übernehmen müssen, wird dieser Betrag auf den Steigpreis an bzw. hinzugerechnet. Beispiel:
Bestehen bleibt Recht 1 über 100.000,-€ und sie bieten bar 120.000,-€, dann haben sie insgesamt 220.000,-€ geboten, wovon aber nur120.000,-€ zuzüglich 4% Zinsen ab Zuschlag bis einen Tag vor Verteilung zu zahlen sind.

• Muss das Amtsgericht grundsätzlich darauf hinweisen, wenn (Grund)schulden auf mich als Ersteiger übertragen werden? (z.B. schriftlich auf der Internetseite des Gerichts oder vor der Verhandlung mündlich. Im Gutachten nicht erwähnt).

Ja, auf jeden Fall. Die gesamten Versteigerungsbedingungen sind im Termin vor der Aufforderung Gebote abzugeben genauestens zu erklären und zu beschreiben. Dies dauert in der Regel mindestens 20 Minuten und länger. Bitte immer nachfragen, wenn etwas unklar geblieben ist. Denken Sie daran es geht um sehr, sehr viel Geld, oft im sechsstelligen Bereich, worauf sie sich dann einlassen.
Das ist auch nicht Aufgabe des Gutachters. Dieser hat nur den reinen Wert der Immobilie zu ermitteln. Auch in der Internet-Terminsveröffentlichung ist dies nicht anzugeben.

• Wenn keine Schulden übertragen werden, wird dann das Grundbuch als komplett „frei“ an mich überreicht? Oder gibt es irgendwelche versteckten Schulden, die ich auf Anhieb nicht erahnen kann?

Im Zuschlagsbeschluss, der einem Meistbietenden rechtlich das Eigentum verschafft, wird ganz genau angegeben, ob Rechte bestehen bleiben und übernommen werden müssen oder halt nicht. Dies ist bindend und entscheidend. Der Zuschlagsbeschluss ist immer öffentlich zu verkünden- laut zu verlesen-

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 11.04.2019, 23:28
von Benedikt_F
Hi Addi,

Vielen Dank für deine umfassende Antwort! Könntest du mir noch einmal erläutern, was du genau mit deinen beiden Punkten s.u. meinst?

„...1 für die fehlende Summe haftet der Schuldner in der Regel weiter.“

Meinst du Mit Schuldner den ursprünglich verschuldeten Besitzer oder mich als neuen Besitzer?

„...2 Das richtet sich danach aus welcher Rangposition das Verfahren betrieben wird.“

Könntest du mir einmal behilflich sein, wie das beispielhaft bei Gericht formuliert werden würde? (nur damit ich die Situation richtig einschätze und hier keinesfalls etwas falsch interpretiere).

Verkündung A
„Das Verfahren wird aus rangbester Position betrieben. Es werden keine weiteren Grundschulden auf den Ersteigerer übertragen. Der Ersteigerer bezahlt ausschließlich das Meistgebot aus diesem Verfahren. Das Grundbuch ist dann frei.

Verkündung B
„Neben dem Verfahren bleiben weitere Rechte bestehen. D.h. Neben dem Meistgebot (Steigwert) muss der Ersteigerer Summe XXX zusätzlich aufbringen, um alle Gläubiger zu bedienen. Wenn dies geschehen ist, gilt erst dann das Grundbuch als frei.“

Viele Grüße
Benedikt

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 12.04.2019, 08:44
von Addi
„...1 für die fehlende Summe haftet der Schuldner in der Regel weiter.“
Meinst du Mit Schuldner den ursprünglich verschuldeten Besitzer oder mich als neuen Besitzer?

Natürlich den "alten" Schuldner/Eigentümer. Die Altschulden eines Eigentümers gehen nicht auf den Ersteher über. Hierfür haftet der Schuldner/Eigentümer weiter.
Bleibt eine Grundschuld im Grundbuch bestehen, die übernommen wird, ist dies rechtlich gesehen nur die dingliche Haftung des Grundstücks für die schuld des alten Eigentümers. ein Gläubiger kann diese Grundschuld, welche bestehen bleibt, im Termin anmelden und somit fällig stellen, mit der Folge, dass der Ersteher diese zeitnah ausgleichen/ablösen muss. (häufig erfolgt jedoch ein neues schuldrechtliches Vertragsverhältnis mit dieser Gläubigerin und die bestehenbleibende Grundschuld deckt dann das neue Darlehen ab.)


„...2 Das richtet sich danach aus welcher Rangposition das Verfahren betrieben wird.“
Könntest du mir einmal behilflich sein, wie das beispielhaft bei Gericht formuliert werden würde? (nur damit ich die Situation richtig einschätze und hier keinesfalls etwas falsch interpretiere).

Achtung: Der Zuschlagsbeschluss, welcher in einem Termin verkündet wird ist nur das Resultat, Ergebnis einer erfolgreichen Versteigerung unter Zusammenfassung der Versteigerungsbedingungen.

Wer, aus welchem Rang das Verfahren betreibt und welche Rechte bestehen bleiben und mit übernommen werden ist zeitlich vor Beginn der Bietungsstunde bekanntzugeben.

Beispiel:
Das Verfahren wird aus rangbester Position der XY Bank wegen 100.000,-EUR Grundschuldkapital nebst 15 % p.a. dinglicher Zinsen seit dem 01.01.2017 aus dem Recht Abteilung III Nr.1 betrieben.
Es bleiben keine Rechte bestehen.

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 12.04.2019, 21:55
von Benedikt_F
Vielen Dank dafür Addi. Hab ein schönes WE

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 11.10.2020, 21:35
von miloweit@yahoo.de
Hallo, hätte dazu auch eine Frage.
Was ist wenn eine Baumaßnahme der Straße noch nicht abgeschlossen und abgerechnet ist?
Würde ich dann die Schuld am Hals haben oder der vorherige Besitzer.

Re: Grundbuch: Grundschulden und versteckte Belastungen?

Verfasst: 12.10.2020, 10:13
von Addi
.....
Erst mit Zuschlag geht das Eigentum auf den Meistbietenden über. Dies bedeutet, das auch ab diesem Zeitpunkt alle Rechte und Pflichten auf den neuen Eigentümer übergehen.
Ist eine Baumaßnahme zur Straßenerschließung noch nicht abgeschlossen und wird diese erst nach Zuschlagserteilung abgerechnet, gehen diese Kosten selbstverständlich zu Lasten des neuen Eigentümers....