Gericht und Zwangsverwalter verschweigen Mietvertrag

Sie haben Fragen zu Zwangsversteigerungen? Dann tauschen Sie sich hier mit anderen Forumsteilnehmern aus. *** Die im Forum gegeben Auskünfte stellen selbstverständlich keine Rechtsberatung dar. Eine Haftung ist ausgeschlossen! ***

Moderator: Alfred_Hilbert

Emozzione
Beiträge: 2
Registriert: 22.03.2019, 19:07

Gericht und Zwangsverwalter verschweigen Mietvertrag

Beitragvon Emozzione » 22.03.2019, 19:47

Hallo,

ich habe vor einigen Tagen ein stark sanierungsbedürftiges Haus ersteigert (was mir auch bewusst war, ich will ja sanieren). Der Eigentümer ist bereits 2017 verstorben, es gibt keine Erben. Laut Auskunft des direkten Nachbarn und auch des von der Bank beauftragten Maklers ist das Haus unbewohnt, allerdings möbliert (und zugemüllt). Es ist ein Institutsverwalter eingesetzt.

Beim Versteigerungstermin war der Makler sowie ein Anwalt für die Bank anwesend. Bevor die Bietstunde begann, sagte der Rechtspfleger noch ausdrücklich: "Ein Mietvertrag ist dem Gericht nicht bekannt".

Nachdem ich den Zuschlag erhalten hatte, wurde ich noch vor Ort im Gerichtssaal vom Makler informiert, dass ein "obskurer" Mietvertrag aufgetaucht sei. Er wisse aber nichts Genaues, würde sich schlau machen und mich dann informieren.

Daraufhin rief ich gleich am nächsten Tag bei der Gläubigerbank an und habe nun, nach mehrmaligen Anrufen, ein Schreiben des Institutsverwalters erhalten. Im Anhang ein Schreiben einer Anwältin aus dem Januar, in dem sich diese auf einen Vor-Ort-Termin zwischen Mieterin und Verwalter bezog. Die Anwältin fordert den Verwalter hierin auf, umfangreiche Mängel zu beseitigen, u.a. ein Wasserrohrbruch, Feuchtigkeitsschäden usw. Der "obskure" Mietvertrag ist aus dem Jahr 2005, mit einem Stempel der Arge aus 2008, scheint also wirklich schon so lange zu existieren.

Meine Frage nun: Dem Verwalter muss der Mietvertrag vermutlich schon mindestens im Dezember 2018 bekannt gewesen sein. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, das Gericht zu informieren, so dass dies im Versteigerungstermin hätte bekannt gegeben werden können. Mir ist klar, dass man "die Katze im Sack" kauft, und wenn der Mietvertrag erst jetzt bekannt geworden wäre, dann wäre das halt so. Aber so wussten alle (Makler, Verwalter, vielleicht ja sogar das Gericht) Bescheid.

Im Anwaltsschreiben steht keine Adresse der Mieterin (die aus gesundheitlichen Gründen nicht im Haus wohnen kann, da erst saniert werden muss, haha). Kann ich kündigen? Wenn ja, an wen und vor allem wohin richte ich diese Kündigung? Ich muss ja Fristen einhalten.

Addi
Beiträge: 1099
Registriert: 22.10.2014, 10:00

Re: Gericht und Zwangsverwalter verschweigen Mietvertrag

Beitragvon Addi » 23.03.2019, 22:06

Sie haben Recht.
Der vom Gericht eingesetzte Institutsverwalter (meist ein Mitarbeiter der Gläubigerbank) hatte rechtzeitig vor dem Termin Kenntnis von einem bestehenden Mietvertrag. Dies hat er unmissverständlich und unverzüglich auch dem Vollstreckungsgericht mitzuteilen, nachdem er den Mietvertrag geprüft hat. In der Regel hat ein Zwangs- oder Institutsverwalter auch die Pflicht im Versteigerungstermin anwesend zu sein und einen Bericht abzugeben oder zumindest einen schriftlichen Bericht einzureichen, der dann von dem zuständigen Rechtspfleger zu verlesen ist.
Irgendjemand hat hier „schlampig oder gar fahrlässig“ gearbeitet. Mit diesem Vorwurf sollten Sie den zuständigen Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht konfrontieren und Akteneinsicht in die Zwangsverwaltungsakte nehmen. Aus dem Mietvertrag, der ja nun offensichtlich vorliegt, sind alle notwendigen Daten zu entnehmen. Gegebenenfalls kann dieser angefochten werden, wenn es sich zB lediglich um einen Scheinvertrag handelt, was aber ein zu beauftragende Rechtsanwalt prüfen sollte.
Ansonsten kann ja unter Einhaltung der Kündigungsfrist und Angabe eines Kündigungsgrundes eine Kündigung ausgesprochen werden.....
Viel Erfolg.

Emozzione
Beiträge: 2
Registriert: 22.03.2019, 19:07

Re: Gericht und Zwangsverwalter verschweigen Mietvertrag

Beitragvon Emozzione » 23.03.2019, 23:36

Guten Abend,

vielen Dank für die Antwort. Ich werde auf jeden Fall gleich am Montag Kontakt mit dem Rechtspfleger aufnehmen.

Habe mir bis jetzt fast alles zu diesem Thema gegoogelt, aber einen vergleichbaren Fall nicht gefunden. Eine Zuschlagsbeschwerde, die ich wohl selbst angehen könnte, möchte ich auf keinen Fall. Erstens ist der Ausgang ungewiss, zweitens möchte ich das Haus ja haben.

Gäbe es hier eventuell die Möglichkeit, die Gläubigerbank bzw. den Institutsverwalter in die Haftung zu nehmen?

Ich habe heute mal ein bisschen vor Ort geforscht und wie es aussieht, ist es wohl wirklich kein Scheinvertrag. Die "Dame" wohnt dort zwar nicht, wird aber hin und wieder gesichtet und hat dort auch einmal gewohnt. Und wie es mein "Glück" will, ist diese wohl Zitat: "schon immer arbeitslos und bezieht ALG 2." (ist ein kleiner Ort, da weiß man das :-)

Also befürchte ich bei einer Kündigung die Berufung auf einen Härtefall. Von der Kündigungsfrist von 9 Monaten mal ganz abgesehen.

Bin im Moment echt ein wenig ratlos. Ich habe mit allem gerechnet, unbekannte Schäden etc., aber nicht damit.

Addi
Beiträge: 1099
Registriert: 22.10.2014, 10:00

Re: Gericht und Zwangsverwalter verschweigen Mietvertrag

Beitragvon Addi » 24.03.2019, 09:18

...Vorteilhaft ist, dass die „Mieterin“ selbst in dem Objekt nicht wohnt. Mietvertrag hin und her. Von daher dürfte ein Kündigungsschutz nicht ohne weiteres durchzusetzen sein. Aber zunächst ist ein Vertrag zwecks Prüfung vorzulegen.
Da das Gericht mit dem eingesetzten Verwalter immer eng zusammen arbeiten sollte, wird es schwierig sein dort einen „Schuldigen“ zu finden, der eine Haftung übernimmt....
Aber wie gesagt, bitte zunächst das Gericht kontaktieren, um mehr zu erfahren, warum nichts bekannt gegeben worden ist...


Zurück zu „Zwangsversteigerung - Alle Themen“