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Zwangsräumung Fristen

Verfasst: 16.10.2017, 18:26
von ohrlaf22
Guten Tag,

ich interessiere mich für ein Haus das demnächst Zwangsversteigert wird und habe hierzu einige Fragen..

Die Bank versucht das Objekt seit 7 Jahren zu versteigern, bisher erfolglos. Der kommende Termin ist nun der fünfte. In den ersten Terminen war dem Gläubiger der Versteigerungserlös zu gering, in dem letzten Termin wurde das Verfahren einstweilen eingestellt, aufgrund Suizidgefahr der Schulder die auch noch in dem Objekt wohnen.....
Das Objekt hat zudem auch noch zwei Einliegerwohnungen die Zwangsverwaltet werden. Hierdurch konnte ich erfahren dass aufgrund von Schimmel eine Wohnung aktuell nicht bewohnt wird und bei der anderen zwar geringe Mieteinnahmen regelmäßig fließen, aber ebenfalls Sanierungsmaßnahmen aufgrund von Schimmel notwendig wären. Vermutlich sind inzwischen auch größere Instandsetzungsmaßnahmen im Haus notwendig.
Ich konnte mir die Wohnungen und das Haus leider nur von aussen anschauen da mir keine Besichtigung gewährt wurde.
Die Schuldner wollen grundsätzlich weder ausziehen noch Miete zahlen und drohen das Verfahren wieder aufgrund von Suizidgefahr platzen zu lassen... Das Objekt verfällt in den letzten 7 Jahren zunehmend, da kaum Instandsetzungsmaßnahmen vom Zwangsverwalter aufgrund fehlender Einnahmen ausgeführt werden..
Für das Haus ist ein sieben Jahre altes Verkehrswertgutachten im Wert von 400000€ vorhanden, in dem aber viele der bestehenden Mängel nicht aufgeführt sind. Desweiteren halte ich das Verkehrswertgutachten auch ohne Mängel für deutlich zu hoch. Die Mindestgebotsvorstellungen des betreibenden Gläubigers belaufen sich auf 110000€.

Hierzu einige Fragen:

1. Ist es von den Schuldnern überhaupt möglich das letzte Verfahren wieder aufgrund von Suizidgefahr platzen zu lassen?

2. Bei einem Gebot von 110000€ wäre dies ja unter 30% vom Verkehrswert. Ist es im 5. Termin überhaupt noch möglich den Zuschlag aufgrund des Verschleuderungsgrundsatzes zu versagen?

3. Wie lange kann eine Zwangsräumung ggf. nach erfolgten Zuschlag dauern? Bzw. ist es überhaupt möglich diese wieder aufgrund von Suizidgefahr zu verzögern wenn vorher ein rechtskräftiger Zuschlag erfolgt ist?

4. Wie viel kostet eine Zwangsräumung (grob geschätzt) für eine Wohneinheit mit 200m2 in dem die Schuldner wohnen?

5. Gelten die notwendigen Sanierungsmaßnahmen (Schimmel) in den Einliegerwohnungen als wichtiger Kündigungsgrund, mit dem einen Mieter ggf. aufgrund des Sonderkündigungsrecht bei Zwangsversteigerungen gekündigt werden könnte?

6. Wann und wie muss ich einen sofortigen Zuschlag beantragen bzw. muss diesem Antrag vom Rechtspfleger auch nachgekommen werden oder schwebe ich ggf. längere Zeit in der Luft und kann dann von meinem Gebot auch nicht mehr zurücktreten?

Ich war zwar schon des öfteren als Zuschauer in einem Zwangsversteigerungsverfahren anwesend, allerdings nie bei einem so verstrickten Fall.

Über die Einschätzung eines Experten würde ich mich sehr freuen da ich noch keinen festen Bietpreis im Kopf habe.

Vielen Dank

Re: Zwangsräumung Fristen

Verfasst: 16.10.2017, 19:47
von Addi
Guten Abend.
Ich werde versuchen zu ihren "umfangreichen" Fragen, ausreichend Stellung zu nehmen.
1. Ist es von den Schuldnern überhaupt möglich das letzte Verfahren wieder aufgrund von Suizidgefahr platzen zu lassen?
Uneingeschränkt " Ja" . Dies Vollstreckungsschutzanträge gem. § 765a ZPO können in jedem Zeitpunkt einer Vollstreckungshandlung gestellt werden. Entweder kurz vor dem ZV Termin, in diesem selber, oder vor Zuschlagserteilung, aber auch anschliessend im reinen Zwangsräumungsverfahren.

2. Bei einem Gebot von 110000€ wäre dies ja unter 30% vom Verkehrswert. Ist es im 5. Termin überhaupt noch möglich den Zuschlag aufgrund des Verschleuderungsgrundsatzes zu versagen?

Dies steht ganz im Ermessen des jeweils zuständigen Terminsrechtspflegers. Geundsätzlich könnte man von einer "VerSchleuderung" ausgehen, wenn das Meistgebot lediglich knapp 30% des veralteten VW beträgt. Grundsätzlich könnte das Gericht nach so langer Zeit auch eine berichtigte VW Ermittlung in Auftrag geben oder halt den Zuschlag auch bei Geboten unter 30% vom VW zulassen. Die 30% sind darüberhinaus keine gesetzlich normierte Größe sondern eher eine Norm nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Vorliegend wäre aus meiner Sicht jedes Gebot zuschlagsfähig, soweit das Geringste Gebot gedeckt ist. Das Verschleuderungsgebot soll ein Schutz für die Schuldner sein. So wie sie den Fall beschrieben haben, sind die Schuldner nicht mehr schutzwürdig, da diese mit aller Macht eine Zuschlagserteilung verhindern.....

3. Wie lange kann eine Zwangsräumung ggf. nach erfolgten Zuschlag dauern? Bzw. ist es überhaupt möglich diese wieder aufgrund von Suizidgefahr zu verzögern wenn vorher ein rechtskräftiger Zuschlag erfolgt ist?

Auch das ist möglich in dem nachgelagerten "Zwangsräumungsverfahren", welches dann separat als Mobiliarvollstreckungsverfahren nach der Zwangsversteigerung läuft und mit der ursprünglichen Zwangsversteigerung dann nichts mehr zu tun hat.

4. Wie viel kostet eine Zwangsräumung (grob geschätzt) für eine Wohneinheit mit 200m2 in dem die Schuldner wohnen?

Das erfragen sie bitte bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher, der letztendlich alleine entscheidet in welcher Höhe dieser einen Vorschuss einfordert. Grob geschätzt würde ich sagen ca. 10.000,-€ plus.

5. Gelten die notwendigen Sanierungsmaßnahmen (Schimmel) in den Einliegerwohnungen als wichtiger Kündigungsgrund, mit dem einen Mieter ggf. aufgrund des Sonderkündigungsrecht bei Zwangsversteigerungen gekündigt werden könnte?

Insoweit, als dass sie zunächst eine grundlegende Sanierung vornehmen wollen/müssen. Letztendlich kommt es immer darauf an, ob die bisherigen Mieter es akzeptieren oder hiergegen rechtlich vorgehen, dann entscheidt ein Zivilgericht.

6. Wann und wie muss ich einen sofortigen Zuschlag beantragen bzw. muss diesem Antrag vom Rechtspfleger auch nachgekommen werden oder schwebe ich ggf. längere Zeit in der Luft und kann dann von meinem Gebot auch nicht mehr zurücktreten?

Also, nach Ende der Bietzeit hat der Rechtspfleger im Termin die anwesenden Beteiligten und auch den Meistbietenden zu befragen ob Erklärungen zum Zuschlag abgegeben werden. Dann müssen/können sie den Antrag stellen den Zuschlag sofort zu erteilen, was im 7. Termin auch der betreibende Gläubiger beantragen wird.
Liegt jedoch im Termin ein noch nicht entschiedener Vollstreckungsschutzantrag vor (Suizid), wird ein Rechtspfleger nie direkt und sofort einen Zuschlag im Termin erteilen, sondern in der Regel einen gesonderten Zuschlagsverkündungstermin ansetzen, da ja über diesen Vollstreckungsschutzantrag mit entschieden werden muß.
Ein Rücktritt von ihrem zugelassenen Meistgebot ist grundsätzlich nicht möglich.

Aber auch wenn erneut kein Gebot abgegeben wird und das Verfahren aufgehoben wird, kann die Gläubigerin relativ schnell und direkt einen erneutenZwangsversteierungsantrag stellen, mit der Folge, dass ein ganz neues Verfahren beginnt auch miterneuter, aktueller VW Ermittlung und Festsetzung.

Warum vorliegend der Zwangsverwalter keine Besichtigung ermöglichen kann, ist auch nicht verständlich.....